Ich nahm Verbindung zu der Surfschule auf, die Buchung dort war einfach und unkompliziert. Eine Übernachtung ist auch schnell gefunden. Da ich keinen Führerschein und Auto besitze, um einen Road Trip zu machen, kam also nur öffentliche Verkehrsmittel für mich in Frage. Ich habe versucht online meine Reise bei der Bahn in Deutschland und Frankreich zu buchen. Bei der Reservierung bemerkte ich, dass ich nicht eingeben kann, dass ich einen Behindertenausweis habe. Es gibt unterschiedliche Bedingungen für mobilitätseingeschränkte Reisende.
Also ging ich zum Ticketservice der deutschen Bahn und trug dort die Problematik vor. Der Geschäftsleiter sagte mir, dass mein Behindertenausweis in Frankreich nicht gültig wäre und ich benötige von dort einen französischen behinderten Ausweis. Was natürlich nicht geht, denn dafür muss ich in Frankreich angemeldet sein! Mein Surfurlaub schien buchstäblich ins Wasser zu fallen. Enttäuscht und traurig nahm ich mir die Mobilitätsservice Broschüre mit und ging nach Hause.
Ich las die Broschüre durch, war jedoch entsetzt wie man mich am Bahnhof behandelt hatte, denn in der Broschüre steht das Mobilitäteingeschränkte Personen ganz einfach durch Europa reisen können. Daraufhin ging ich zu einem anderen Bahnhof, trug dort wieder die Problematik vor und siehe da die Frau am Schalter war sehr zuvorkommend. Durch sie erfahre ich, dass es nicht geht, da ich in Paris ein Stück der Strecke mit der Metro fahren müsse und die ist definitiv nicht barrierefrei, leider. So jetzt fühle ich mich wie bestraft! Es kann doch nicht sein, dass meine Reise daran scheitern soll, weil ich nicht mit der Bahn dahin komme? Bus darf ich auch nicht alleine fahren, da es aus Versicherungsschutz den Fahrer nicht gestattet ist zu Helfen. Was ist da los? Ist das so schwer alleine als Rollstuhlfahrer durch Europa zu reisen?
Inspiriert von meinen Wellenreiter- Freunden aus Amerika, wollte ich diesen Trip in Europa auch selbständig meistern. Die Tatsache, dass die Bedingungen so schwer sind, ermuntert mich noch mehr.
Ich bin ich im Jack Wolfskin auf Andreas Pröve aufmerksam gemacht worden. Ein Rollstuhlfahrer der alleine mit seinem Handbike durch die Welt reist und auch darüber Vorträge hält. Er sagte nur zu mir, siehst du das ist der Grund warum ich nicht gerne durch Europa reise. Barrierefrei durch Europa ist nur auf dem Papier sehr einfach und unkompliziert. In der Realität mangelt es jedoch an der Umsetzung, vielleicht sollten die Bahngesellschaften sich da eine Scheibe von den Airlines abschneiden.
Fliegen war also die einfachste Reisemöglichkeit für uns. Das buchen des Tickets ging sehr schnell, übersichtlich und unkompliziert. Die Ankunft in Biarritz war sehr angenehm. Ich bekam sogar von Air France die Taxifahrt hin und zurück von Paris nach Orly bezahlt. Mit dem Taxi fuhr ich anschließend zum Campingplatz und bezog das erste Mal im Leben ein Accessible Mobile Home.
Der Campingplatz lag ungefähr 3 km von meiner Surfschule entfernt. Ich konnte entweder einen schönen ausgiebigen Spaziergang machen oder mit der Navette fahren. Die Navette fuhr zu bestimmten Zeiten und hatte eine Rampe und die Fahrer waren sehr hilfsbereit. Am Anfang war es sehr ungewohnt für mich einen Fahrschein zu kaufen, da ich in Deutschland gewohnt bin mit meinem Behindertenausweis umsonst mit Nahverkehrsmitteln zu fahren.
Ich konnte mich während meiner gesamten Zeit dort frei bewegen. Restaurants, Läden, Wege waren sehr gut zugänglich für den Rollstuhl. Es gibt sogar einen „Handi-Strand“, der mit dem Marine Hospital von Hendaye verbunden ist, der schwerbehinderte Patienten oder seltene Krankheiten behandelt. Der „Handi-Strand“ ist ein spezieller Strandabschnitt nur für Menschen mit Behinderung d.h. dieser Abschnitt ist mit Equipment ausgestattet, das gebraucht wird um ins Wasser zu kommen wie Strandmatten, Strandrolli und extra Personal falls Hilfe und Unterstützung gebraucht wird.
Nachdem ich eine Wohnung in der Nähe des Strandes gefunden hatte, entschied ich mich, den Schlafort zu wechseln. Die Wohnung war ganz in der Nähe von Gogoko mein Lieblingsrestaurant. Das Gemüse und Obst ist frisch und der Küchenchef Daniel bereitet jeden Tag gesunde und nahrhafte Bio-Mahlzeiten zu, die immer lecker sind.
Die Junge Team von Lehena haben sich zusätzlich auf adaptive Surfing spezialisiert. Das Team von Ecole de surf Lehena ist sehr offen und freundlich. Ich habe mich sofort sehr wohl gefühlt. Sie sind darauf spezialisiert Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen das Surfen beizubringen. Die hervorragende Arbeit von Lehena hat den jungen Sportler Maixi Cabanne zum französischen National Surf Meister gemacht. Sie trainieren auch das französische Nationalteam und waren auch in La Jolla 2016 dabei. Durch ihre Arbeit haben sie erkannt wie wichtig das Element Wasser für die Weiterentwicklung von Menschen, die gehandicapt sind, ist. In Amerika habe ich das Surfen auf dem Board sitzend und mit dem Paddel kennengelernt so wie beim Kajak, doch die Jungs nutzen nur ein normales Surfbrett und die Fähigkeit des Körpers wie man das eben von Surfen kennt. Bevorzugt wird die „Kneeling“ Position, natürlich nur wenn dies möglich ist, also surfen auf den Knien, sonst im Stehen oder auch im Liegen auch „Prone“ genannt. Je nach Behinderung und körperlichen Möglichkeiten. Für mich kam das Surfen im Kniestand in Frage. Der Unterricht war sehr intensiv und spaßig zugleich. Ich hatte die Gelegenheit verschiedene Surfboards auszuprobieren, bis wir das passende für mich gefunden haben. Ich liebe es auf diese Art und Weise zu surfen, denn dadurch konnte ich das Surfboard besser fühlen und führen. Umso größer wurde mein Respekt für alle die im Sitzen surfen. Ich hatte auch noch die Chance Jean-Marc Saint Geours von Association Handi-Surf kennenzulernen.
Ich habe Land und Leute kennengelernt und war wirklich sehr überrascht wie die Barrierefreiheit dort umgesetzt worden ist. Ich konnte mich selbständig und frei bewegen. Restaurant, Hotels und Spazierwege sind barrierefrei.
Das Surfen hat mich gepackt und der Ehrgeiz an Wettkämpfen teilzunehmen ist geweckt. Ich habe mit dem DWV-Deutscher Wellenreiter Verband- Kontakt aufgenommen. Sie freuten sich sehr über meine Motivation, da das Surfen zur olympischen Disziplin ernannt worden ist, ist es auch in ihrem Interesse mehr adaptive Athleten zu bekommen, um bei den paralympische Spiele mit zu machen.
Als die ISA Weltmeisterschaften vor der Tür stand, musste ich mich einfach anmelden. Da es zum ersten Mal eine Frauen Kategorie gab, gab es für mich keinen Grund Deutschland nicht zu vertreten. Ich habe mich wie üblich beim DWV-Deutsche Wellenreiter Verband- angemeldet.
Zum Glück halfen mir meine Freunde aus Amerika und das Team von ISA. Um mich schon mal für meinen ersten Wettkampf überhaupt vorzubereiten, nahm ich spontan in La Jolla Shore an einem kleinen Wettkampf teil. Ich war mit einem fremden Surfboard im Wasser verloren, als mir Travis Long zur Hilfe kam. In diesem Wettkampf wurde ich letzte, doch es ging ja nur um die Erfahrung und Spaß. Travis ist ein Tandemsurfer, das heißt, er und seine Partnerin machen Hebefiguren auf dem Longboard. Als ich ihm erzählte, dass ich an der Weltmeisterschaft teilnehme werde und leider noch keine wirkliche Surferfahrung habe und zudem kein Coach habe, erklärt er sich kurzer Hand bereit mein Coach zu werden. Nachdem ich mir mein eigenes Equipment zugelegt hatte, fingen wir mit dem Training an. Zusätzlich hatte ich die Jungs aus England, die mit mir zusätzlich trainierten www.surfingengland.org. Ich habe so viele hilfsbereite Menschen kennen und schätzen gelernt.
Ich könnte mich dort auch bei Challenged Athletes Foundation für ein Sponsoring anmelden.